Aus dem Erbrecht informiert die Kanzlei am Markt in Hamburg-Wellingsbüttel:
„Sanktioniert Pflichtteilsklausel im gemeinschaftlichen Testament immer?“
Unter Ehegatten wird oft ein gemeinschaftliches Testament in der Form errichtet, dass diese sich wechselseitig als Erben einsetzen und die Kinder als Schlusserben. Regelmäßig wird noch eine Pflichtteilsstrafklausel aufgenommen, die besagt, dass im Falle der Geltendmachung des Pflichtteils des Erstversterbenden durch das Kind, dieses auch im Falle des Todes des Letztversterbenden nicht mehr als den Pflichtteil erhält.
Eine Pflichtteilsklausel, wie sie hier das gemeinschaftliche Testament enthält, ist eine typische letztwillige Anordnung, durch die gemeinschaftlich testierende und sich gegenseitig als Erben, ihre Abkömmlinge als Schlusserben einsetzende Ehegatten sicherstellen wollen, dass dem Überlebenden bis zu seinem Tod der Nachlass ungeschmälert verbleibt und er nicht durch das Pflichtteilsverlangen eines Schlusserben gestört wird. Eine derartige Klausel verfolgt das rechtlich nicht zu beanstandende Ziel, den Nachlass zunächst dem überlebenden Ehegatten ungeschmälert zukommen zu lassen. Im Zusammenhang mit der Schlusserbenregelung soll die Verwirkungsklausel auch das Interesse der Ehepartner, insbesondere des Erstversterbenden, daran sichern, dass nicht einer der Abkömmlinge bei der Verteilung des elterlichen Gesamtnachlasses bevorteilt wird. Diese Zwecke sollen dadurch erreicht werden, dass die Schlusserbeinsetzung der gemeinsamen Kinder unter die auflösende Bedingung eines Verlangens des Pflichtteils nach dem Erstversterbenden gestellt wird. Verlangt ein Schlusserbe den Pflichtteil nach dem ersten Todesfall, so entfällt seine Einsetzung als Schlusserbe, und zwar regelmäßig mit Wirkung auch für seine Abkömmlinge.
Welche konkreten Voraussetzungen für die Verwirklichung der Pflichtteilsausschlussklausel erfüllt sein müssen, hängt im Einzelfall von der Gestaltung bzw. Formulierung und dem Willen der Erblasser ab, der gegebenenfalls im Wege der Auslegung festzustellen ist. Insofern kann eine Pflichtteilsklausel auch dann eingreifen, wenn der Pflichtteilsberechtigte die Unwirksamkeit des gemeinschaftlichen Testaments geltend macht und seinen gesetzlichen Erbteil fordere.
Werde jedoch lediglich die Stellung des überlebenden Elternteils als Alleinerbe durch das Kind angegriffen, so werde dieses durch die Pflichtteilsklausel noch nicht erfasst, wie das Oberlandesgericht München entschieden hat (OLG München AZ 31 W x 374/17).
In dem entschiedenen Fall hatte die Tochter Einwände gegen die Wirksamkeit des Testaments und die Alleinerbenstellung ihrer Mutter. Das Nachlassgericht teilte diese Ansicht nicht. In der Folge kam es sodann zum Streit darüber, ob das Verhalten der Tochter die Strafklausel auslöse und die Tochter vom Erbe auschlösse.
Entgegen der Meinung der Mutter als Beschwerdeführerin könne der Pflichtteilsklausel in dem gemeinschaftlichen Testament nicht die Willensrichtung der Ehegatten entnommen werden, dass bereits die von der Tochter beantragte Einziehung des zugunsten der Erblasserin erteilten Erbscheins von der Klausel mitumfasst werde. Nach dem Wortsinn sanktioniere die Formulierung bereits einen ausdrücklichen und ernsthaften, auch außergerichtlichen Versuch, den Pflichtteil zu erhalten, unabhängig davon, ob der Fordernde den Pflichtteil beziffere oder diesen tatsächlich erhalte.
Diesem könne jedoch nicht der Antrag auf Einziehung des zugunsten der Erblasserin erteilten Erbscheins gleichgestellt werden. Denn damit sei noch kein aktiver Zugriff der Tochter auf das Nachlassvermögen des Erstversterbenden verbunden, den die von den Ehegatten verwendete Fassung der Klausel („verlangt“) erfordere. Im Hinblick auf diese gewählte Fassung genüge es für den Eintritt der Klausel nicht bereits, dass die erstrebte Einziehung des Erbscheins letztendlich auch den Verlust der Alleinerbenstellung der Erblasserin zur Folge haben könne. Wenngleich nach Sinn und Zweck der Klausel sichergestellt werden solle, dass dem überlebenden Ehegatten bis zu seinem Tod der Nachlass ungeschmälert verbliebe, wird mit der Klausel nicht jedes Verhalten eines Schlusserbens gegen die in der letztwilligen Verfügung getroffenen Anordnungen sanktioniert, sondern nur solches, dem ein aktives Verlangen nach Erhalt eines Anteils an dem Nachlassvermögen des Erstversterbenen inne wohne. Eine Willensrichtung der Ehegatten, die allein das Bestreiten der von den Ehegatten angeordneten Alleinerbenstellung des überlebenden durch ein Verhalten des Schlusserben sanktioniere, mag zwar der Formulierung „wer das Testament anficht“ entnommen werden können. Für eine solche Willensrichtung fänden sich in der von den Ehegatten verwendeten Formulierung der Klausel jedoch keine Anhaltspunkte.