Die Rechtsanwälte Irene von Behr und Nadja Nicolaisen aus Hamburg-Wellingsbüttel informieren aus dem Erbrecht
Erbengemeinschaft und Grundbuchfähigkeit.
Zugunsten desjenigen, für den im Grundbuch ein Recht eingetragen ist, wird gem. § 891 BGB vermutet, dass ihm das Recht zusteht. Ist dieses gem. § 47 Abs. 1 GBO für mehrere Berechtigte gemeinschaftlich unter Bezeichnung des für die Gemeinschaft maßgbenden Rechtsverhältnisses eingetragen, wie durch den Zusatz „in Erbengemeinschaft“ , so erfasst die Vermutung auch die Art der Mitberechtigung.
Für ein im Grundbuch gelöschtes Recht wird sein früheres Bestehen nach § 891 Abs. 1 BGB vermutet, wenn feststeht, dass die Löschung der Aufhebung des Rechts und nicht der Berichtigung des Grundbuchs dienen sollte.
So liegt es etwa, wenn die Löschung als bisherige Eigentümer und die Eintragung der Ersteherin der Grundstücke auf Ersuchen des versteigernden Gerichts nach Zuschlag in der Zwangsversteigerung zwar formal der Grundbuchberichtigung diente, jedoch nicht im Sinne der Berichtigung eines schon zuvor fehlerhaften Grundbuchinhalts, sondern im Sinne der Vollziehung der durch den Zuschlag gemäß § 90 Abs. 1 ZVG bewirkten Rechtsänderung im Grundbuch.
Im hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall bedeutete dies: Die für das Eigentum der Beklagten in Erbengemeinschaft streitende Vermutung habe der Kläger nicht durch den Beweis des Gegenteils widerlegt. Anders als das Berufungsgericht meine, sei der vor dem Landgericht geschlossene Vergleich nicht eindeutig dahin zu verstehen, dass die vormals aus vier Miterben bestehende Erbengemeinschaft vollständig beendet werden solle. Dabei komme es nicht darauf an, ob die von dem Berufungsgericht vorgenommene Auslegung im Revisionsverfahren nur darauf überprüft werden könne, ob z.B. gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze außer Acht gelassen worden seien oder ob Prozessvergleiche in einem weitergehenden Umfang, nämlich unbeschränkt und selbständig ausgelegt werden könnten. Denn die Auslegung erweise sich auch bei beschränkter Nachprüfung als rechtsfehlerhaft.
Der Wortlaut des Vergleichs lege zwar nahe, dass sich die Erbengemeinschaft abschließend habe auseinandersetzen wollen. Zwingend sei dies aber nicht. Eine Erbengemeinschaft könne durch Teilung bzw. Veräußerung der Nachlassgegenstände oder durch Übertragung von Erbteilen auseinandergesetzt werden oder in persönlicher Hinsicht durch das einvernehmliche Ausscheiden von Miterben gegen Abfindung mit der Folge, dass der Erbteil des oder der Ausgeschiedenen den übrigen Miterben unter Fortbestand der Erbengemeinschaft anwachse. Welche Form der Auseinandersetzung gewollt gewesen sei, ergebe sich aus dem Worlaut des Vergleichs nicht eindeutig, da nicht klargestellt werde, ob die Übertragung des Grundstückseigentums an eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit den Beklagten als Gesellschafter oder an die Beklagten in Erbengemeinschaft erfolgen sollte. Die in dem Vergleich verwendete Formulierung „zur gesamten Hand“ könne beides zum Inhalt haben, zumal zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses zwar die Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts anerkannt gewesen sei, nicht aber ihre Grundbuchfähigkeit, so dass im einen wie im anderen Fall als Grundstückseigentümer die Beklagten unter Angabe des Gemeinschaftsverhältnisses (§ 47 Abs. 1 GBO) als Eigentümer einzutragen gewesen wären. Wie das Berufungsgericht selbst wiedergibt, habe gerade dieser Umstand das Grundbuchamt veranlasst, den mit dem Vollzug des Vergleichs betrauten Notar im Wege der Zwischenverfügung darauf hinzuweisen, dass die Art der Gesamthandsgemeinschaft mit dem Zusatz „zur gesamten Hand“ nicht hinreichend bestimmt und die Eintragung ohne entsprechende Klarstellung unzulässig sei.
Der Vergleich sei auch nicht deshalb eindeutig, weil die darin vorgesehene rechtsgeschäftliche Übertragung der Grundstücke an die Beklagten nur bei einer Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft erforderlich gewesen sei. Zwar bedürfe es bei der Abschichtung durch Ausscheiden von Miterben aus der Erbengemeinschaft in der Tat nicht der rechtsgeschäftlichen Übertragung der zu dem Nachlass gehörenden Grundstücke. Dies schließe aber nicht aus, dass eine solche gleichwohl im bei der Auslegung zu berücksichtigenden Interesse der Vergleichsparteien an einem reibungslosen Vollzug des Vergleichs liegen könne. Mit der notariell bzw. in einem gerichtlichen Vergleich (vgl. § 127a BGB) beurkundeten Auflassung und Eintragungsbewilligung könnten die Voraussetzungen für die Eigentumsumschreibung nämlich ohne weiteres in der Form des § 29 GBO nachgewiesen werden. Ein solcher Nachweis werde in der Praxis der Grundbuchämter bisweilen auch im Fall des Ausscheidens von Miterben aus der Erbengemeinschaft durch an sich formlos möglicheche „Abschichtung “ verlangt.
Die Revision rügt überdies zu Recht, dass das Berufungsgericht nicht festgestellt habe, ob bei Vergleichsschluss eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts zwischen den Beklagten bestand habe oder eine solche gegründet werden sollte. Das wäre aber notwendige Voraussetzung für eine Auslegung des Vergleichs, wonach die Auflassung an eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts habe erfolgen sollen. Wenn nämlich eine solche Gesellschaft nicht bestand habe und, wie die Revision vorbringt, auch nicht habe gegründet werden sollen, dann hätte die Übertragung der Grundstücke an eine solche dem erkennbaren Interesse der Vergleichsparteien widersprochen und könne nicht Ergebnis einer interessengerechten Auslegung sein.
Bundesgerichtshof, Versäumnis – und Schlussurteil vom 22. Februar 2019 – V ZR 244/17