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Aus dem Erbrecht: Zur Wirksamkeit eines Behindertentestaments

Der Begriff Behindertentestament ist etwas irreführend, weil man meinen könnte, es handelte sich hier um ein von einem Behinderten verfasstes Testament. Tatsächlich jedoch wird dieBezeichnung allgemein für ein Testament verwendet, das zugunsten eines behinderten Menschen, zumeist mit geistiger Behinderung, errichtet wird. Hier ist oftmals die Ausgangssituation gegeben, dass diese Menschen ihr Leben lang auf staatliche Hilfe angewiesen sein werden und deren Eltern befürchten, dass ihr gesamtes lebenslang angespartes Vermögen vom Sozialhilfeträger zur Versorgung des Kindes eingefordert würde und dieses letztendlich aber gleichwohl von der Sozialhilfe abhängig würde. Ziel der Eltern ist hier zumeist, ihren Kindern über die sozialhilferechtliche Hilfe hinausgehende Lebensqualität zu sichern. Dieses kann jedoch nur gewährleistet werden, wenn das elterliche Vermögen nicht zuvor bereits vom Sozialhilfeträger für die Sozialleistungen in Ansatz gebracht wird.

Das Landgericht Essen (LG Essen) hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem ein geistig behindertes Kind von seiner verstorbenen Mutter als nicht befreiter Vorerbe eingesetzt worden war. Im Falle der Unwirksamkeit des Testaments war angeordnet worden, dass das Kind den Pflichtteil von immerhin 934.000 € vom Erben, dem Ehemann der Verstorbenen, erhalten sollte. Der Sozialhilfeträger vertrat nun die Ansicht, dass das Testament sittenwidrig und damit unwirksam sei, da die erheblichen Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche die Kosten des behinderten Kindes voraussichtlich bis zu seinem Lebensende decken würden. Das Landgericht folgte diesem Ansinnen nicht. Es hatte bereits Zweifel daran, ob ein Vermögen unter einer Million Euro geeignet sei, die ausreichende Absicherung zu gewährleisten. Im Übrigen vertrat es die Ansicht, dass die Frage der Sittenwidrigkeit nicht danach zu beurteilen sei, ob es sich um einen erheblichen Nachlass handele oder nicht, da in Fällen der Nachlassregelungen durch Behindertentestament immer eine Benachteiligung des Sozialhilfeträgers gegeben sei. Ob man dieses nun befürworte oder missbillige, sei jedoch eine grundsätzlich rechtspolitische Entscheidung und nicht eine vom Gericht zu treffende (LG Essen, Urteil vom 03.12.2015 – 2 O 321/14 – mit Bezugnahme auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 20.10.1993 – IV ZR 231/92 -).

Die Rechtsanwältinnen Frau Irene von Behr und Frau Nadja Nicolaisen stehen Ihnen gern für weitere Fragen oder Informationen aus dem Erbrecht bzw. zum Behindertentestament zur Verfügung.

 

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